Seelenbalsam im idyllischen Hof
Sonntag, 24.07.2016, Kategorie:
HERGERSHAUSEN – Fanclubs kennt man in der Regel bei Pop-Stars oder Fußballvereinen. Manchmal weisen aber auch Orchester-Dirigenten einen solchen auf. Am Sonntagabend, beim Serenadenkonzert des Blasorchesters Hergershausen, war extra eine kleine Gruppe aus Dudenhofen mit dem Auto nach Hergershausen gekommen, um den 35-jährigen Leiter zu sehen und zu unterstützen.
„Wir kennen Mathias Müller, als er noch für den MV Dudenhofen spielte. Danach haben wir seinen Weg, inklusive der Dirigenten-Prüfung, mitverfolgt“, berichtete Isolde Eser (69). Seinen Musikern in Hergershausen höre sie besonders gerne zu. Das tut noch eine weitere große Zahl an Menschen, denn die Langfeldsmühle zeigte sich zum Sommerkonzert erneut gut gefüllt. Vor allem die Mischung aus idyllischer Hofatmosphäre und symphonischen Klangerlebnis sorgte für reichlich Seelenbalsam, das sich viele nicht entgehen lassen wollen. Sogar Landrat Klaus Peter Schellhaas tauchte zur Überraschung der rund 35 Musiker auf. Dirigent Mathias Müller, der Berufsmusiker bei Bundeswehr in Veitshöchheim ist, vereinte Taktstock und Moderation. Wie er zu Beginn sagte, stelle er ungern ein Konzert unter ein bestimmtes Motto, da man dann gebunden sei. Er bevorzuge es, mit einer großen Bandbreite zu demonstrieren, was ein sinfonisches Blasorchester alles an Literatur umzusetzen vermag. Daran ließ der Programmgestalter keine Zweifel aufkommen: Äußerst gelungen war bereits der Einstieg mit einem Reitermarsch, der sofort „Pauken und Trompeten“ berief. Das Sprichwort traf aber nur zum Teil zu, denn die Trompeten wurden durch Fanfaren ersetzt. Im Anschluss stand eine konzertante Ouvertüre an. Das nächste Stück, „Highland Cathedral“, modifizierte Müller für das Serenadenkonzert äußerst abwechslungsreich: So traten Glockenspiel, Oboe, Klarinette und Flöte sowie das Tenorsaxophon mit Soli auf und legten ein wunderbares Klangerlebnis über die Mühle.
Mit dem Ende des ersten Teils ging’s aufs Wasser: Bei „Into the raging River“ wird eine Flussfahrt musikalisch dargestellt. Von gemächlich bis rasant (Stromschnellen!) bietet sich hier reichlich Spielraum. Für den lokalen Bezug bat der Dirigent humorvoll ins Schlauchboot auf die Gersprenz. Der zweite Teil begann erneut schwungvoll mit dem Marsch „Prager Leben“. Von dort führte die musikalische Reise nach Südeuropa zur „Festa espagnol“. Michael Sweeney hat darin drei spanische Tänze verarbeitet. Ein Besuch bei der jüngsten Deutschland-Tournee von Hollywood-Komponist Hans Zimmer bewog den Hergershäuser Orchesterleiter, den turbulenten Ohrenschmaus „Fluch der Karibik“ ebenfalls ins Programm einzubauen. Danach wurde es gediegen mit einem Medley spiritueller Stücke, darunter „Amazing Grace“ oder „Amen“. Mit einem hohen wieder Erkennungswert wollte man damit vor allem älteren Besuchern eine Freude machen. Das Beste von Udo Jürgens löste einen großen Schlussapplaus aus, der mit zwei Zugaben belohnt wurde. Mit „Give us Peace“ schlugen die Musiker dabei einen aktuellen Bezug zu den derzeit immer wieder traurig stimmenden Meldungen in dieser Welt. Für das jüngste Serenadenkonzert lässt sich bilanzieren, dass Dirigent Mathias Müller seine Ansage mehr als erfüllte, eine enorme Bandbreite im Gepäck zu haben. Das hatte zur Folge, dass sein Orchester mit stetigen Taktwechsel konfrontiert wurde, die konzertanten und beschwingten Werke umzusetzen. „Das muss so sein, sonst geht nichts vorwärts“, sagte Müller humorvoll bei seinen Dankesworten ans Orchester sowie an die Besucher. Gekommen war mit Ute Müller auch die Mutter des Dirigenten. Die vortreffliche Auswahl der Stücke verband sie mit einer kleinen Anekdote: „Früher hab ich meinen Sohn vor Konzerten immer gefragt, was heute gespielt wird. Mittlerweile bin ich dazu übergegangen, mich einfach überraschen zu lassen“, sagte sie.
Bericht und Foto: Michael Just – Offenbacher Post